Birgit Hasselbusch ist erfolgreiche Kinder- und Jugendbuchautorin. Und sie ist Fernsehkommentatorin. Bei Eurosport berichtet sie während der Live-Übertragungen von den großen Rundfahrten Giro d’Italia, Tour de France und Vuelta à España über Land, Leute, Leckeres und Lustiges. Ihr Erkennungszeichen: eine Fahrradklingel. Was läge da näher, als ein Buch für junge Leser zu schreiben, das sich um ein berühmtes Radrennen dreht und bei dem gleich zu Beginn des Auftaktkapitels eine Fahrradklingel „drrrr“ macht. Und tatsächlich: Vor wenigen Wochen erschien im Covadonga Verlag ihr erstes Radsport-Kinderbuch: Rennracker Robbie bei der Tour de France. Wie es dazu kam und was ihr beim Schreiben wichtig war, verrät Birgit Hasselbusch im Gespräch mit Andreas Beune.
In Ihrem neuen Kinderbuch geht es um einen Jungen, der mit seiner zumindest teilweise radsportvernarrten Familie den Sommerurlaub in Frankreich verbringt. Die Geschichte kreist um einen Etappenbesuch bei der Tour de France, der bei Robbie Spuren hinterlässt. Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, ein Kinderbuch rund um den Radsport zu verfassen?
Birgit Hasselbusch: Ich habe ja schon mehrere Kinderbücher geschrieben, zuletzt eines über Fußball. Am Radsport hat mich gereizt, dass es ein Thema ist, zu dem es bislang kaum kindgerechte Literatur gibt. Die Idee dazu kam 2022 im Rahmen der Tour-de-France-Berichterstattung beim TV-Sender Eurosport auf, für den ich arbeite. Bei der Tour de France bin ich nicht nur als Expertin für Frankreichs kulturelle Seiten zu hören, sondern tummele mich auch bei Social Media. Und in der Radsport-Bubble tauchte die Frage auf, ob ich nicht ein Radsport-Kinderbuch schreiben könnte. Aus dieser Bubble kamen dann auch ein paar Vorschläge …
Was waren das für Vorschläge?
Die Vorstellungen drehten sich nicht um den Inhalt, sondern um den Schreibprozess. Es gab die Idee, dass wir uns eines der wunderschönen Schlösser in der Provence anmieten sollten, über die ich bei der Tour berichte. Einer kocht Bœuf Bourguignon, eine andere bringt Wein mit. Dann machen wir es uns im Hof gemütlich, wo ich Passagen aus meinem Kinderbuch zur Probe vorlese. Zwischendurch springen wir in einen Pool. Die Realität beim Schreiben sah dann doch etwas anders aus.
Mussten Sie lange überlegen, die Geschichte über Rennracker Robbie in Frankreich anzusiedeln?
Nein. Die Tour de France in den Mittelpunkt des Buches zu setzen, lag auf der Hand. Ich habe viele Jahre in Frankreich gelebt und gearbeitet, das Land liegt mir sehr am Herzen. Als größtes Radsportereignis der Welt ist die Tour de France natürlich prädestiniert, um auch Kindern das Thema Radsport näherzubringen, die sich bislang noch nicht so sehr mit dieser Sportart beschäftigt haben. Es hat mich einfach sehr gereizt, die Besonderheiten des Radsports mit den Eigenheiten des Landes, seiner Sprache und Kultur zu verbinden.
Zu den Besonderheiten im Radsport gehört zweifellos der Ex-Profi Jens Voigt, der nun als rasender Reporter bei den Radsport-Übertragungen von Eurosport von sich reden macht und auch in Ihrem Buch auftaucht.
Absolut. Als ich Jens Voigt gefragt hatte, ob ich ihm eine kleine Rolle in der Geschichte geben könnte, hat er sich sehr darüber gefreut. Er hat ja bereits mehrfach die Anekdote erzählt, wie er einmal einen Teil einer Tour-Etappe auf einem Kinderrad absolvieren musste. Es bot sich natürlich an, diese Anekdote in dem Buch aufzugreifen.
Der gemeinsame Eurosport-Kollege Karsten Migels hat ja auch einen kleinen Auftritt. Ist sein Bericht von der Schlussetappe der Tour de France eigentlich eine Mitschrift einer TV-Reportage? Es liest sich auf jeden Fall sehr authentisch.
Es ist eine Mischung aus Realität und Fiktion. Es ist schön, wenn die Radsportfans beim Lesen seine Stimme im Ohr haben.
Eine weitere reale Figur aus der bunten Radsportwelt, die im Buch eine kleine Rolle spielt, ist der Tour-Teufel Dieter Senft.
Der Tour-Teufel ist einfach eine tolle Figur für Kinder. Didi Senft steht ja nicht nur verkleidet an der Strecke der Tour de France, er hat ein eigenes Fahrradmuseum und baut selber Räder wie das Eiffelturm-förmige Liegedreirad. Das passt perfekt zur Geschichte von Robbie, der sich für die Radkultur rund um die Frankreich-Rundfahrt interessiert. Als ich mit Didi Senft über mein Buchprojekt gesprochen habe, war er sehr neugierig, wie er illustriert wird. Er sammelt nämlich alle möglichen Bücher, in denen er auftaucht. Er hat der Illustratorin des Buches auch ganz viele Fotos von sich geschickt. Arabell Watzlawik war bislang noch nicht mit der Figur vertraut und fand es herrlich verrückt, dass dort einer in Hausschuhen herumläuft und in dieser Teufelsverkleidung in die Luft springt.
Der Tour-Teufel ist ja einer von mehreren Menschen, mit denen Robbie beim Streckenbesuch ins Gespräch kommt. Sind dabei auch eigene Erfahrungen am Streckenrand eingeflossen?
Ja, bei meinen privaten Besuchen der Tour habe ich Ähnliches erlebt wie die Familie von Robbie. Wir mussten früh losfahren, um uns einen guten Platz an der Strecke zu sichern.
Dann wartet man zwar stundenlang, aber die Warterei wird farbenfroh und gut gelaunt untermalt. Es gibt so viel Buntes zu entdecken. Darunter sind auch Kleinigkeiten, etwa mit welcher Seelenruhe Einheimische ihr Picknick zelebrieren. Generell ist die Atmosphäre unter den Zuschauern außerordentlich friedlich und entspannt. Aber auch die Umgebung nimmt man noch einmal intensiver wahr. Eine Region wie die Provence kann man ja quasi mit geschlossenen Augen am charakteristischen Lavendelduft erriechen.
Hat es Sie dann auch gereizt, wie Robbie selber in die Pedale zu treten?
Doch, natürlich. Ich bin zwar eigentlich als Handballerin groß geworden, erinnere mich aber noch gut an einen Schüleraustausch in Frankreich. Mit einheimischen Kids unternahmen wir viele Radtouren. Während die Tour-begeisterten Franzosen auf Rennrädern unterwegs waren, mussten meine Freundin und ich mit Kinderrädern aus unseren Gastfamilien vorlieb nehmen. Das war ein bisschen so wie bei Jens Voigt. Die Franzosen waren jedenfalls völlig aus dem Häuschen, dass wir mit den viel zu kleinen Rädern mithalten konnten. Als ich später dann für TV- und Radio-Stationen in Paris, Lyon, Nizza oder Straßburg gearbeitet habe, habe ich viele Ecken des Landes mit dem Rad erkundet. So konnte ich Eindrücke sammeln, die man im Auto halt nicht mitbekommt.
Wie sehr Sie Frankreich fasziniert, zeigt sich auch in der Darstellung einer französischen Bäckerei, die für Robbie und seine Familie gerne besuchen.
Die Boulangerie mit ihrer Angebotsvielfalt von Baguettes bis zu Tartes steht in gewisser Weise für Frankreich. Ich finde, dass sie ein besonderes Flair verbreiten, das ja auch viele Urlauber anzieht. Die Boulangerie ist einfach ideal, um Kinder für typisch französische Produkte oder die klangvolle Sprache zu begeistern.
Apropos Sprache. Sie beherrschen ja die Kunst des Rückwärtsredens. Gibt es im Buch auch ein entsprechendes Sprachspiel?
eibboR rekcarnneR taucht ebenso wenig auf wie ssenüJ onurB, der in meiner Geschichte als deutsche Nachwuchshoffnung um das Weiße Trikot kämpft. An einer Stelle findet sich aber tatsächlich ein rückwärtsgeschriebener Name, den aufmerksame Leser entdecken können. Übrigens musste ich einmal in einem Radsport-Podcast alle möglichen Namen von Profifahrern rückwärts aufsagen. Das war gar nicht so einfach. Das Erste, was ich als Kind rückwärts aufsagen konnte, war ein Fußballverein. hcabdalgnehcnöM aissuroB. Da war ich 11 oder 12 Jahre alt und habe mit meinem Vater häufig Fußball geguckt. Schon damals hatte ich den Wunsch, einmal Sportreporterin zu werden.
Das hat auf jeden Fall funktioniert. Sie sind nun seit 1999 für Eurosport tätig, seit 2021 auch bei der Tour de France …
… wo ich mich ja immer mit einer Klingel ankündige, um die Zuschauer mit Informationen rund um Land und Leuten zu versorgen. Lustigerweise glauben viele Menschen, dass ich im Hubschrauber Frankreich überquere, um Wissenswertes über die Schlösser, Kirchen oder Plätze zu erzählen. Natürlich sitze ich wie die Kollegen im Studio.
Das kleine französische Abenteuer des Rennrackers aus Deutschland lebt auch von den Illustrationen. Wie ist die Zusammenarbeit mit Arabell Watzlawik zustande gekommen?
Wir wollten für das Buch Zeichnungen von jemandem, der sich mit Frankreich und Radfahren auskennt. In einem großen sozialen Netzwerk gibt es eine Gruppe mit dem Namen ‚Weltfrauen‘. Da tauschen sich Frauen aus, die im Ausland gelebt haben oder noch im Ausland leben. Auf meine Projektvorstellung hat sich Arabell Watzlawik gemeldet, die gerade ein Kinderbuch über Frankreich illustriert und sich dabei auch mit dem Fahrrad beschäftigt hatte. So haben wir uns kennengelernt. Ihre Zeichnungen hatten es mir und dem Verlag gleichermaßen angetan. Wir haben perfekt zusammengearbeitet, saßen alle auf demselben Sattel.
Das Buch richtet sich an Kinder von 9 bis 12 Jahren. Welche Rolle spielen radsportaffine Eltern?
Mein Wunsch ist, Kinder wie Eltern anzusprechen. Bei einer Lesung in meiner Heimatstadt Hamburg kam ich ins Gespräch mit Eltern, deren Kinder beim FC St. Pauli aktiv Radsport betreiben. Die Eltern sagten mir, dass sie sich sehr auf mein Radsport-Kinderbuch freuen würden. Damit könnten sich vielleicht auch andere Kids im Freundeskreis von der Faszination des Radsports anstecken lassen. Mit einem Buch, das unterhaltsam ist und kindgerecht Wissen über den Radsport vermittelt, ohne allzu technisch zu sein. Es muss ja nicht immer Fußball sein.
Ihr wollt mehr von Birgit Hasselbusch hören und sehen? Am 27. Juni stellt sie ihr neues Radsport-Kinderbuch »Rennracker Robbie bei der Tour de France« in der Schicken Mütze in Düsseldorf vor. Fahrrad- und sportbegeisterte Kids (und ihre Eltern) dürfen sich auf mehr als nur eine Lesung freuen.
Los geht’s um 15:30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Bitte Plätze reservieren unter: https://www.eventbrite.de/e/rennracker-robbie-in-der-mutze-tickets-920317814357
Birgit Hasselbusch ist Buchautorin, Radio-Moderatorin bei NDR Info und Fernseh-Kommentatorin bei Eurosport. Die Hamburgerin hat mehrere erfolgreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. Für „Hallo, hej und marhaba – Freundschaftsspiel mit Doppelpass“ wurde sie mit dem „Lese-Kicker 2022“ ausgezeichnet. 2024 gehört sie bei Eurosport wieder zum Kommentatoren-Team der Tour de France und wird dort über die kulturellen und kulinarischen Besonderheiten des Landes berichten.
Ein weiteres hörenswertes Interview mit Birgit Hasselbusch über ihr neues Tour-de-France-Kinderbuch gibt es im 101-Rennrad-Podcast.